Die Zerstörung der Energiewende
Die letzten Tage und Wochen steht es in jeder Zeitung, schallt es von jedem Dach: Deutschland, Europa, der Westen haben ein Energieproblem. Die Wurzel für dieses Übel heißt Putin.
Erneut verfängt die erste Regel bei großen Problemen: Finde einen Schuldigen. Doch simple Antworten auf komplexe Probleme sind häufig einseitig. Daher nähere ich mich der Energiewende in mehreren kurzen Kapiteln.
Das Stromnetz - Physik
Das erschreckende an der Recherche zum Energienetz sind die frei verfügbaren Informationen. Hierfür reichen manchmal Schulbücher oder das Internet aus. Ich lade jeden Leser dazu ein - nein, fordere ihn sogar heraus- Fehler in diesem Kapiteln zu suchen und mir mitzuteilen. Wie heißt es doch so schön in der Bitcoin Welt: „Vertraue niemanden, verifiziere alles“.
Die Grundlage des Stromnetzes basiert auf Physik. Es gibt schlicht und ergreifend physikalisch unverhandelbare Gesetze. Punkt. Eines dieser Gesetze fordert, dass sich das Angebot (die Produktion von Strom) und die Nachfrage (die Verbraucher) permanent in der Waage halten. Jede einzelne der 525.600 Minuten im Jahr. Diese kleinen Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage pendeln in einem schmalen Korridor, der Netzfrequenz. Diese liegt bekanntlich bei 50 Hertz. Bei zu großen Schwankungen der Frequenz drohen Schäden am Netz, den Endgeräten oder letztlich der Blackout.
In Europa sind die Stromnetze vieler Länder miteinander verbunden. Doch je mehr Produzenten und Verbraucher sich die Waage halten müssen, desto aufwendiger der Regelbedarf. In einem unglaublich komplexen Prozess prognostizieren die Verbraucher und die Produzenten im Minuten Takt ihre Daten und der Netzbetreiber gleicht die Vorhersagen ab. Er entscheidet über das Hochfahren oder Herunterregeln. Erschwerend kommen aber unvorhergesehene Stromspitzen hinzu. Hier muss extrem schnell reagiert werden, um das Netz stabil zu halten. Ich darf hoffentlich annehmen, dass niemand einen Blackout riskieren möchte. Vereinfach gesagt regeln Netzbetreiber die Kraftwerksleistung im Minutentakt je nach Bedarf seitens der Verbraucher.
Die Erneuerbaren - Physik
Die bekanntesten regenerativen Energieerzeuger sind Hydro, Solar und Wind. Was unterscheidet diese von Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerken? Richtig, sie sind unzuverlässige Stromerzeuger. Mit Blick auf die Physik aus dem vorangegangenen Artikel Kapitel kann vor allem Sonne und Wind nicht Tage oder gar Stunden vorhergesagt werden; Hydro ist ein Sonderfall, doch gibt es hier ebenso wetterabhängige Kapazitäten, die jedoch zumindest besser vorhersehbar sind.
Die Folgen sind offensichtlich. Am Beispiel Photovoltaik verursachen sehr sonnige Stunden für viel grünen Strom. Diese Energie muss einen Abnehmer finden. Störfaktoren sind Wolken mit unterschiedlicher Dichte, die die Leistung der Anlage beeinflussen. Letztlich gilt es noch die Nachtstunden zu berücksichtigen, in denen überhaupt kein Strom erzeugt wird. Während die Nacht planbar ist, sind Wolkenabdeckungen in Deutschland und der daraus resultierende Wirkungsgrad der Solardächer eher eine Modellierung, die dann im Minutentakt mit der Stromnachfrage abgeglichen werden muss. Selbst Deutschland alleine ist „riesig“ mit völlig unterschiedlichen Wetterlagen in München oder im Frankenland. Für Europa wird diese Aufgabe noch komplexer.
Bei den Windrädern sieht es im Grunde gleich aus. Deren Vorteil auch in der Dunkelheit Strom zu produzieren wird jedoch konterkariert durch das schmale Wirkungsband. Die Turbinen können in starken Winden nicht laufen, genauso wenig genügen leichte Brisen. All das sorgt für Stress im Netz. Die Vorfälle nehmen mit dem Ausbau der Erneuerbaren auch messbar zu. (Siehe hier und ff mit Grafiken):
Während unvorhersehbare Überproduktion der Erneuerbaren (kurz EE) schlicht abgeregelt wird, stellt die Unterproduktion die Netzbetreiber vor ein Problem. Verbraucher verlangen nach Energie und sie können nicht liefern. Jetzt kommt die Stunde der sogenannten Schnellaktivierer. Hierzu zählen Gas und Öl-Kraftwerke. Unter Co2 Gesichtspunkten ist die Wahl schnell getroffen: hier kommt nur Gas in Frage!
Die Erneuerbaren - Ideologie
Vor allem die Grünen fallen aktuell mit folgenden Aussagen auf:
“Wir sind in diesem Schlamassel, weil die CDU in 16 Jahren die Energiewende verschleppt hat. Hätten wir die EE ausgebaut, wären wir jetzt nicht so von Putin abhängig.“
Mal angenommen wir hätten den Traum der Grünen und ihren Frontrunner Organisationen wie Fridays for Future erfüllt, sässen wir nun auf Quadratkilometern von Sonnenkollektoren und Wäldern aus Windrädern. Die Energie wäre grün und angeblich billig. Vor allem aber könnte uns Putin mal den Buckel herunterrutschen?
Wenn da nicht diese blöde Physik wäre. Denn was die Anhänger dieser Lösung entweder aus Unwissenheit (beängstigend) oder Vorsatz (heuchlerisch) unter den Tisch fallen lassen, ist der gleichzeitig mit dem EE-Ausbau notwendige Ausbau von Gas-Kraftwerken. Wie wir gelernt haben, bieten nur diese die Fähigkeit schnell für Ausgleich bei fehlender Energieproduktion zu sorgen. Einen Schritt weiter gedacht galt bis zum 24.02.2022 Fracking-Gas bei den Anhängern der Grünen als Teufelszeug, das Grundwasser verunreinigt und keinesfalls in deutsche Tanks geraten darf. Das Flüssiggas mit Tankern über die Meere zu schippern, um uns über kalte Winter zu bringen, war ebenfalls bis zum Einmarsch der Russen in die Ukraine für Grüne undenkbar. Das lässt dann im Umkehrschluss nur folgenden Schluss zu. Die Grünen wissen und wußten nicht, wie Energiesicherheit funktioniert (beängstigend) oder verschweigen heute einfach, dass sie schon immer auf Putins Gas gebaut haben (heuchlerisch). Vereinfach gesagt zwingt uns die Energiewende zum Aufbau redundanter Kraftwerksleistung für die berühmte Dunkelflaute von bis zu 61 Tagen (Quelle) in Form von Gas.
Am Anfang dieses Absatzes sprach ich von „angeblich billiger grüner Energie“. Die sonst auffallend ganzheitlich denkenden Weltretter lassen beim Thema Kapazitätsausbau die Kosten für die doppelte (!) Kraftwerksleistung ihrer unzuverlässigen Sonnenträume galant unter den Tisch fallen und von der Allgemeinheit tragen.
„In der Zukunft speichern wir die regenerative Energie und alles ist tutti“
Nein, ich ziele hier nicht polemisch auf die Aussage von Annalena „ich schiesse einen Bock“ ab: „Die Energie speichern wir im Netz!“.
Vielmehr geht es um folgende wichtigen Aspekte. Als Erstes schalten wir jetzt Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke ab und haben Stand heute schlicht weder die Kapazitäten in Form von Wind oder Solar, noch die Stromleitungen und geschweige denn Speicherlösungen um das Land am Laufen zu halten. Solch ein Vorgehen ähnelt russischem Roulette, weil man Veränderungen herbeiführt und für deren Konsequenzen wissentlich keine Lösungen parat hat. Der andere Punkt ist die Speicherlösung Batterie. Am Beispiel der Tesla Gigafactory in Nevada werden die Dimensionen deutlich. In der letzten Ausbaustufe kostet das Projekt 5 Mrd US$ und wird zum heutigen Stand mehr Rohstoffe verarbeiten können, als derzeit verfügbar sind. Die Batterien könnten dann unglaubliche 30GWh speichern, während Deutschland in 2021 ~ 570TW pro Jahr verbraucht. In GW entspricht das 570.000 pro Jahr, oder 1,08GW/ Minute. Die komplette - fiktive - Jahresproduktion der Nevada Gigafactory kann Deutschlands Strombedarf für ca 30 Minuten puffern. An der Stelle wünsche ich mir, dass wir mit Blick auf die Versorgungssicherheit für 83 Mio Menschen vom Wolkenkuckucksheim in die deutsche Heimat zurückkehren. Es sei denn, die Anhänger dieser Politik wollen vorsätzlich Deutschland und im Zuge dessen halb Europa zurück ins Mittelalter beamen. Aussagen wie „Angebotsorientierte Stromversorgung“ unterstützen diese These, wobei es sich hierbei natürlich zum heutigen Tag um eine Verschwörungstheorie handelt!
Die Lösung - Gibt es nicht
Stattdessen Realpolitik und Pragmatismus. Es herrscht Konsens, dass wir als Menschheit unseren Ressourcenhunger reduzieren müssen. Dies bedeutet auch, dass wir alle anpacken müssen. Allerdings bedeutet es nicht, dass ein kleines Land wie Deutschland in einer ideologischen dogmatischen Geisterfahrt seine Industrie mit legendärem Erfindergeist auf dem Casinospieltisch der Ideologien riskiert.
Langfristige Planung der Energiepolitik kommt vor kurzfristiger Klientelpolitik für anstehende Landtagswahlen. Die Akzeptanz der deutschen Atomkraftgegner für die Realität, dass Atomkraft zum deutschen und vor allem globalen Strommix gehört. Auch muss überlegt werden, ob deutsche Dächer der richtige Platz für Photovoltaik sind, wo doch in Italien und Spanien die Sonne länger und kräftiger scheint. Und zu guter letzt müssen wir auch als Menschheit anerkennen, dass der Energieverbrauch seit Jahrzehnten steigt und dessen Produktion ein lösbares Problem darstellt. Packen wir es an.
Quellen: